Angekommen im Club Las Piranjas

Bei Tageslicht betrachtet öffnet sich vor unserer Terrasse der Blick doch nicht nur auf den Hinterhof, sondern seitlich aufs Meer. Wir sind nah am Steg untergebracht, über den man den Weg ins Riff antritt und freuen uns darüber. 

Der erste Blick auf das Wasser entschädigt für die gestrige Tortur der Anreise.

Das Hotel schreibt in seinen Unterlagen, dass Liegenreservierer nicht gedulded würden. Gegenstände auf den Liegen, die während der Frühstückszeiten zwischen 7:00 und 10:00 Uhr anzufinden wären, würden weggeräumt. 

Das ist natürlich Quatsch. Überall, wo Massentourismus stattfindet, wird diese Unart praktiziert. Da wir gestern kaputt früh im Bett lagen und eine Stunde Zeitverschiebung zu Deutschland besteht, sind wir hier zur Ortszeit 7:30 Uhr (6:30 Uhr in D) bereits wach und unterwegs und können das Schauspiel mitverfolgen. Dabei sind wirklich genügend Liegen für alle vorhanden und das Reservieren nicht nötig

Simone kommentiert grinsend unsere senile Bettflucht:"Laufe ich hier ersthaft an einem Samstag um halb sieben am Strand entlang, anstatt auszuschlafen?"

Dass wir zum zweiten Mal diese Hotelkette besuchen, erkennt man an unserem Armbändchen. Erstbesucher werden mit einem hellblauen Plastikband gekennzeichnet, wir sind schon zum dunkelblauen Band "aufgestiegen". 

"Unbelehrbare Wiederholungstäter" bekommen ab 10 Aufenthalten ein silbernes Bändchen, einen Obstkorb aufs Zimmer und die Getränke an den Tisch gebracht.

Uns fällt auf, dass wir unabgesprochen das Gleiche angezogen haben: Poloshirt und knielange Hose in schwarz. Wie so Pärchen im Partnerlook. Tja, was hilfts?! So ist das wohl, wenn man sich schon lange kennt. Trotzdem versuche ich einen Vorstoß: "Und morgen ziehst du dir gefälligst etwas anderes an als ich. Ich war zuerst schwarz!" Simone kichert. 

Schon während des Frühstücks durchbricht die Sonne die Wolken, die noch vom Vortag über dem Meer hängen und heizt die Umgebung schlagartig auf über 30°C auf. Deshalb sind wir hier. Und weil ein All-Unclusive-Urlaub keinerlei Anforderungen an uns stellt. Wir werden bis zu fünf mal am Tag "gefüttert" (Frühstück, Vormittagssnacks, Mittagessen, Nachmittagssnacks, Abendessen), kühle Getränke stehen bereit und wir müssen uns um nichts kümmern. Das Rundum-Sorglos-Paket für Menschen, die vielleicht schon zu viele Sorgen haben?! Oder eben für Faule, Menschen mit Kindern, die bespaßt werden wollen oder Gebrechliche, die weniger mobil sind. Ansonsten ist hier das klassische Urlaubsziel für Taucher. 

Das erklärt auch den großen Zulauf dieser Unterkünfte. 

Insbesondere im Restaurant geht es zu wie im Taubenschlag. Das würde ich mir ruhiger wünschen, bin mir aber bewusst, dass ich ein Teil dieser wuseligen Menschenmasse bin. Der Film "Club Las Piranjas" mit HaPe Kerkeling und Angelika Milster parodiert diese Art von Club-Urlaub sehr treffend. 😉😬

Wir holen uns Strandhandtücher und eine rote Flagge. An den Strandliegen angebracht hindert sie lästige Verkäufer daran, uns im Fünf-Minuten-Takt Angebote zu unterbreiten (Maniküre, Pediküre, Massage, kostenpflichtige Coctails, Fisch-Spa, Quad-Safari durch die Wüste, diverse Ausflüge, Kamelreiten, Tauchen, etc.). Die Liste ist lang und insbesondere in den ersten Tagen gilt man als attraktive "Beute" der Herren Anbieter.

Um 9:30 Uhr liegen wir bei einer sanften Brise am Meer im Ruhebereich, der Erwachsenen über 16 Jahren vorbehalten ist. Es ist angenehm leer und leise. Man hört nur das Rauschen der Wellen. 

Der Beauftragte für die Liegenauflagen bringt uns zwei Polster und erklärt, dass wir uns im Relax-Bereich befinden und hier nicht einmal eine rote Fahne benötigen, um die Verkäufer zu verscheuchen Himmlisch. 

Mein Rücken drückt und piekt. Wie sammle ich eigentlich Muscheln, ohne mich bücken zu können? Ob ich mal herumfrage, ob ich dafür ein Kind der anderen Hotelgäste ausleihen kann? 🫢

Mein Bedarf an altersgerechten(?) Hilfsmitteln übersteigt übrigens im Koffer gefühlt das Volumen der Kleidung. Ich bin geradezu professionell ausgerüstet als (un-)rüstige Rentnerin:

Medikamente, davon viele Schmerzmittel, aufblasbarer Würfel für die Lagerung der Beine in Stufenhaltung zur Entlastung der Lendenwirbelsäule, eine elektrische Heizdecke, Nackenkissen, Nasenspray, vorsorglich Anti-Durchfall-Medikamente, Desinfektionsspray und Pflaster bilden einen sehenswerten Haufen.

Ich bin erst einmal froh, nicht schmerzhaft sitzen zu müssen. Seit drei Wochen meide ich Stühle so gut es geht und die Anreise wird mir sicher noch länger in Erinnerung bleiben.

Wir liegen also am Meer, lesen und ich ruckele auf der Liege herum auf der Suche nach einer schmerzfreien Position. Bisher habe ich keine gefunden. 😎 Ach ja, erschöpft bin ich ja auch und ich spüre leichtes Brennen an diversen Nerven. Das tritt angesichts des Rückens aber etwas in den Hintergrund. Ich überlege schon, ob ich mir auf Basis dieser Erkenntnis zukünftig täglich mit einem Hammer auf den Daumen haue. Dann merke ich die restlichen Beschwerden weniger. 😬🙈

Etwas ruhelos spaziere ich herum, derweil Simone auf der Liege bleibt. Nach einem Besuch auf dem Zimmer stellen wir fest, dass auch wir es schon zu etwas gebracht haben: einem kleinen Obstteller als Gruß des Managements. Khihihihi. Wir wurden damit offiziell zum Spießer-Urlauber gekürt. 

Am Strand weht die rote Flagge. Außer Tauchern darf heute niemand ins Meer, da die Gefahr von Strömungen oder durch Wellen ans Riff geschleudert zu werden, zu groß ist. Also wechseln wir am späten Nachmittag an den Pool, um ein wenig Bewegung im Wasser zu bekommen. 

Ein Animateur steuert auf uns zu. Auf Englisch möchte er uns informieren, dass heute Abend um 19:30 Uhr eine "Sixtyfon" sei. Zumindest ist es das, was ich verstehe. "Sehen wir uns dann?" möchte er wissen. 

Wir starren ihn verständnislos an. Er wiederholt seinen Satz zwei Mal und schließlich nicke ich. Der Groschen ist gefallen. Bei Simone noch nicht. Sie fragt: "Was ist denn ein Sexy-Phone? Da sollen wir hingehen?" Ich kläre sie auf: "Ich glaube, er meinte Saxophon." 🤣





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