Licht und Schatten in der Wüste

Drei Stunden vor Abflug treffen wir am noch unbesetzten TUI-Schalter ein. Dort hat sich schon eine lange Schlange Wartender gebildet. Mein Bein schmerzt, ich komme nur langsam voran, weil Fuß und Wade zwar nach meinem neuesten Bandscheibenvorfall, der nun fast drei Wochen zurück liegt, nicht taub sind, aber so angeschlagen, dass sie nicht flott gehorchen wollen. 

Schlurfend humpele ich im Schneckentempo hinter Simone her. Sie bietet an, sich erst einmal alleine anzustellen. Ich lege derweil die Beine auf den Koffer und versuche, die schmerzenden Nerven zu entlasten; leider nicht wirklich erfolgreich. Unruhig ruckele ich hin und her.  

Nachdem Simone schon nahe an den Schalter vorgerückt ist, winkt sie mich herbei und ich bin ihr sehr dankbar, dass ich den ersten Teil der Schlange nicht mitbestreiten musste. 

Am Flughafen herrscht Chaos. Die Niederlande haben zwei Wochen Schulferien. Das wussten wir nicht und sind nicht darauf gekommen, diese Ferien auch zu googeln, um genau dann nicht zu fliegen.

Es ist total voll und wir benötigen rund eine Stunde, um die Koffer abzugeben und eine weitere Stunde, um durch die Sicherheitskontrolle zu kommen. 

Französisch wird um uns herum auch gesprochen. Wir sind mitten in die Ferienfalle getappt, obwohl wir genau das vermeiden wollten. 🤣🙈

Nach der Kofferabgabe eilen wir zur Sicherheitskontrolle. Aber, schnell geht heute gar nichts. Die Warteschlange scheint endlos und quert einmal den halben Flughafen. Ich befürchte, wir verpassen den Flieger, denn es geht nur zäh voran. Das Gleiche an der Passkontrolle. 

Als wir 30 Minuten vor der geplanten Abflugzeit endlich am Gate eintreffen, haben sich noch nicht viele Menschen eingefunden. Die stecken wohl alle noch in der Schlange. Trotzdem heben wir mit nur 30 Minuten Verspätung gegen 10:50 Uhr schließlich ab.  

Zum ersten Mal im Leben habe ich aufgrund der starken Rücken- und Beinschmerzen 40 Euro für eine Sitzplatzreservierung im Flugzeug bezahlt. Simone möchte das nicht und verzichtet. Also habe ich erst einmal nur für mich gebucht, um mit dem wunden Rücken die Möglichkeit zu haben, die Beine auszustrecken und oft aufzustehen. Kostenpflichtige Reservierungen sind schon zwei Wochen vor Abflug möglich, die kostenlosen erst 48 Stunden vorher. Daher musste ich mit Simones Einchecken noch warten. Tatsächlich bietet der XL-Sitz am Notausgang viel Beinfreiheit.

Als ich zwei Tage vor dem Abflug nun Simone auf einen kostenlosen Sitz einchecken möchte, werden mir für sie nur zwei Plätze zur Auswahl angeboten: auch auf XL-"Luxus"-Sitzen und direkt neben mir. Kostenlos! 

Ob ich das Buchungssystem erfolgreich zerschossen habe, weil alle anderen Menschen als Gruppe einchecken und die Software auf meine strubbelige Art erst für mich und später für Simone zu reservieren nicht vorbereitet ist? Wir freuen uns jedenfalls. 

Während des Fluges jage ich Strom aus dem mitgebrachten Tens-Gerät in das linke Bein und den Po. Das vibriert und lenkt etwas vom Schmerz ab.

Die Stewards und Stewardessen duften nach Zimt. Ob sie ein Corporate Parfum haben oder alle gerne Milchreis essen? In meinem Umfeld riechen heute überhaupt alle gut. Alle, außer mir. Die Rücken- und Beinschmerzen treiben mir vermehrt Schweiß unter die Achseln. 

Eine Dame fünf Reihen vor uns trägt ein Sweatshirt mit dem Aufdruck "Because there is no Planet B".

Vermutlich fährt sie in ihrer Phantasie gerade total umweltschonend mit dem Lastenrad nach Ägypten und hat den Nachbarn erzählt, sie würde zu Fuß den Jakobsweg pilgern?! Der moderne Ablasshandel ("Aber, ich habe doch ein Umweltschutz-T-Shirt an!") trägt schon erstaunliche Blüten. 

Die letzte halbe Stunde holpert sich der Flug durch einen turbulenten gelb-roten Sandsturm und landet um 15:30 Uhr in Hurghada. Und dann wird geklatscht. Geklatscht! Gnihihihi. Dass es so was noch gibt. 

Am Flughafen in Hurghada geht alles ganz flott: Visum, Koffer, Einreise und Transferbus nach Marsa Alam. Es erwarten uns noch drei Stunden Fahrt. Warum wir nicht direkt nach Marsa Alam geflogen sind? Wir haben keine schönen Flugzeiten finden können und wollten nicht mit Air Cairo fliegen. Deren Qualitätsmanagement konnte uns nach kurzer Internetrecherche nicht überzeugen; heißt: wir wollten nicht so gerne abstürzen. 😉 Also lieber mit Tuifly nach Hurghada. Den kleinen Neunsitzerbus haben wir für uns alleine. Erleichtert lege ich die Beine hoch. 

Die Luft ist diesig, bewölkt und alles wirkt wie in schmutzige Gelbtöne getaucht. 

Auf der Straße sind Pfützen zu sehen. Es scheint geregnet zu haben. In der Wüste! 

Zu ägyptischer Popmusik geht es über die Landstraße. 

Unser Fahrer ist guter Dinge, bietet uns Kekse an und Simone revanchiert sich mit deutschen Gurkensticks, die der Fahrer dann auch brav kaut und fragt: "Echt, die Gurke ist aus Deutschland?"

Links sehen wir das Meer, rechts die Wüste. Einmal hält der Fahrer an, um an einem aus einem Motorrad gebauten Kiosk am Straßenrand Chips zu kaufen. 

Auch uns wirft er ein Tütchen zu. Er arbeite immer zwei Monate in Hurghada und fahre dann eine Woche zu seiner Familie nach Assuan, erzählt er. 

Da er uns ruhig und sicher fährt, was in Ägypten keine Selbstverständlichkeit ist, wollen wir ihm gutes Trinkgeld geben. Nach zwei Stunden und 15 Minuten erreichen wir das Hotel. 

Als er meinen Koffer auslädt, ruft er mir auffordernd zu "Tip, tip, money, money" und hält dazu die Hand auf. Ich staune, aber, wir sind ja in Ägypten; daran müssen wir uns wohl wieder gewöhnen. Simone hat von seiner Drängelei nichts mitbekommen und drückt ihm ein Trinkgeld in die Hand. Er jubelt. 

Unser Zimmer liegt ebenerdigt und ist frisch renoviert mit Blick auf den Hinterhof?

Wir gehen zum Essen. Das Restaurant ist groß und voller Menschen. Als ich mir gerade Kartoffeln auf den Teller packen möchte, blitzt und donnert es heftig und ein Wolkenbruch setzt ein. Vor meiner Nase der Teil des Buffets, von dem ich mir gerade etwas nehmen wollte, aus dem Außenbereich des Restaurants nach innen geschoben. 

Und das unter lautem Johlen von vier Kellern, die den Umzug des Essens trommelnd mit Bongos begleiten, derweil sie in ihrem Kaftan durchs Restaurant tanzen. Achduckacke, hier ist ja was los. 

Nach dem Essen gehts am Pool vorbei ins Bett.

Liegend ist mein Rücken glücklich. Hoffentlich bekomme ich morgen nicht die Quittung für diesen Kampftag. 

Simone sucht im Zimmer eine Leselampe und fragt: "Hast nur du ein kleines Licht an deiner Bettseite?" 

"Nee, ich hab nur ein großes Licht; beide Bettseiten haben einheitlich nur großes Licht. Ich bin dafür das kleine Licht.", erkläre ich ihr. 

Simone dementiert: "Quatsch, du bist ein großes Licht. Mit einem noch größeren Schatten."

"Klaro", lache ich; "nur, wer einen großen Schatten hat, hat auch ein großes Licht!" 








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